630 kW Generator für Kramatorsk

Am Montag, dem 9. August 2024 ist der 630 kW-Generator eines anonymen Spenders in Kramatorsk angekommen, wo er die Fernheizzentrale des Mikrorayons Lazurnyj mit Strom versorgt, wenn dieser ausfällt. Das Land ist flach und es muss alles gepumpt werden: Frischwasser, Abwasser, Heizwasser. Ausserdem genügt es nicht, über Heizöl zu verfügen. Die Brenner werden elektrisch betrieben und gesteuert. Fällt der Strom aus, wird es nicht nur kalt, sondern die Leitungen frieren ein, wenn das Wasser nicht kontinuierlich fliessen kann. Die Folge davon: die Leitungen bersten.

Pro Ukraïna hat alles getan, damit dieser Generator in der Ukraine ankommt. Die Stadt Kramatorsk liegt nur 25 Kilometer von der Front entfernt und leidet immer wieder unter russischem Beschuss. Dennoch geben die Menschen dort nicht auf und lassen sich nicht unterkriegen. In diesem Stadtteil leben immer noch 13’600 Menschen.

Hier ist die Geschichte.

CAMZ Direktorin Natalya Kabatsiy und Projektleiterin Nadiya Danch nehmen im Lager Uzhhorod den Generator entgegen.

Eines Tages im Frühjahr 2024 wurde Pro Ukraina über das Kontaktformular auf der Webseite und parallel dazu telefonisch kontaktiert: es handle sich um einen älteren, aber bestens gewarteten, sehr grossen Generator, der für die Katastrophenhilfe praktisch immer auf stand-by gestanden habe und nur sehr wenige Betriebsstunden aufweise.

Das tönte natürlich sehr interessant!

Weiter hiess es: der Generator sei für die Verschrottung vorgesehen, weil er die Luftreinhalteverordnung nicht mehr erfülle. Das  Nachrüsten einer Maschine dieses Jahrganges lohne sich für die Besitzerin, eine kantonale Institution nicht. Ein Ersatz sei bestellt.

Wie bitte ?!?

Ausserdem: es tue dem Verantwortlichen im Herzen weh, diese hervorragende Maschine einfach zu verschrotten, weshalb er vergeblich versucht habe, sie über staatliche Stellen in die Ukraine zu verfrachten. Ob wir das vielleicht tun könnten? Die Maschine würde kostenlos abgegeben.

Ab da war es echt schwierig, die Begeisterung im Zaum zu halten: selbstverständlich!!! Ehm, selbstverständlich sehr gerne 🙂

Es wurde sofort ein Termin vor Ort vereinbart um die Maschine zu besichtigen und Details zu besprechen. Sofort, d.h. noch innerhalb der nächsten 24 Stunden.

Gesagt getan: am folgenden Tag um 09:00 Uhr fand bereits die Besichtigung statt und es ging gleich „ans Eingemachte“.

  • Welche Grösse hat der Deichsel, wie sind die Stecker in der Ukraine, welche Art Bremsleitungen haben sie?
  • Welches Kennzeichen braucht der Generator für den Transfer, wie läuft das mit dem Zoll und der Ausfuhrbewilligung für Güter, die zivil und militärisch genutzt werden können?

Es wurde klar, dass die Bremsen sowieso auf EU-Standard umgerüstet werden sollten, da es auch innerhalb der Schweiz schon Kompatibilitätsprobleme gegeben hatte. Es wurde vereinbart, dass die Besitzerin dies übernimmt. Pro Ukraïna kümmert sich um alles andere.

Mehrere Testläufe wurden durchgeführt, weil die Besitzerin sicherstellen wollte, dass die Ukrainer nach dem teuren Transport keine enttäuschenden Überraschungen erfahren müssen.

Abklärungen beim Strassenverkehrsamt und bei der Polizei brachten sofort Klarheit.

Mit der blauen Nummer für Arbeitsfahrzeuge, die keine Güter transportieren, kann nicht in die Ukraine gefahren werden. Das Fahrzeug muss abgemeldet und eine Exportnummer gelöst werden. Damit wurde Pro Ukraïna formal zur Besitzerin eines 18 Tonnen schweren Generators mit 630 kW Ausgangsleistung.

Das SECO hatte keine Einwände gegen den Export. Somit ging es nur noch um die Suche eines Zugfahrzeuges. Dies erwies sich als schwieriger, als angenommen, da sämtliche ukrainischen Transporteure, mit denen wir bisher gearbeitet hatten über keine Fahrzeuge mit den passenden Anhängevorrichtungen verfügten.

Ausserdem war da noch die Sache mit der Versicherung. Es musste schliesslich ein schweizerischer Transporteur  beauftragt werden, da sonst der schweizerisch registrierte Anhänger nicht versichert gewesen wäre. Die Suche nach einer Firma, die bereit war, in die Ukraine zu fahren, war auch nicht ganz einfach. Die Meisten fahren nur bis zur Grenze, was den T1-Transit erschwert. Davon später.

Schliesslich fanden wir einen Transporteur, der uns auf einen wichtigen zusätzlichen Aspekt hinwies: um 18 Tonnen ziehen zu können, muss die Hinterachse des Zugfahrzeuges mit mehreren Tonnen belastet sein.

Da traf es sich gut, dass uns von der Kantonsschule Zürich Nord das gesamte Mensa-Mobiliar angeboten wurde, weil ihr Schulhaus saniert wird – insgesamt vier Tonnen Stühle und hochwertige klappbare Tische

Ausserdem hatten sich in unserem Lagercontainer wieder mehrere Kubikmeter Hilfsgüter angesammelt. Darunter war wieder medizinisches Verbrauchsmaterial, elektrische Rollstühle, Rollatoren sowie Inventar von zwei Restaurants aus der Innerschweiz und dem Emmental, welche aufgegeben wurden. Insgsamt nochmals 1.5 Tonnen für die Hinterachse des Lastwagens.

Das gesamte Küchenmaterial und Geschirr wird für die Neubauten in Vilshany und Tyachiv gebraucht, in welchen nach modernen Standards Wohngruppen von Menschen mit Beeinträchtigungen leben werden.

Endlich war alles bereit für den Transport. In strömendem Regen wurde zuerst in der Kantonsschule Zürich Nord alles Mensa Mobiliar verladen.

Anschliessend ging es nach Winterthur, um dort den Container zu leeren. Schlussendlich ging es zum Lagerplatz, wo der Generator stand. Es musste noch schnell die Kennzeichen-Beleuchtung modifiziert werden, da die Exportnummer viel breiter ist, als das blaue Schild. Der Fahrer meinte, ein Licht genüge vollkommen – damit sei die gesetzlich vorgeschriebene Beleuchtung vorhanden und damit basta. Also montierten wir die linke Leuchte kurzerhand ab und montierten die Exportnummer exzentrisch. 🙂

Der Gernzübertritt verlief problemlos, wobei die deutschen Zöllnerinnen unbedingt den Generator sehen wollten.

Die Fahrt nach Uzhhorod verlief ruhig. Pro Ukraïna war permanent und bis zum Schluss in Kontakt mit dem Fahrer. Ab Budapest fand ein Hand-Over statt, indem CAMZ die Verantwortung für den Fortschritt übernahm.

Nach einer ereignislosen Fahrt, gingen an der ungarisch-ukrainischen Grenze die Probleme los. Die ungarischen Zollbeamten nahmen ihr Messband hervor und stellten fest, dass der gesamte Lastenzug die zulässige Länge um 10 cm überschritt. Eine Blechabdeckung, die nachträglich installiert wurde, um die Steckdosen am Heck zu schützen, war die Ursache.

Da der Fahrer sich partout weigerte, nachträglich für eine „Spezialbewilligung“ zu bezahlen, dauerte die Abfertigung dann einfach vier Stunden. Der Lastenzug musste auf die Waage, wo eine Diskrepanz von 65 KG zwischen deklariertem und tatsächlichem Gewicht festgestellt wurde – bei einer Ladung von 23.5 Tonnen. Darauf hin musste alles samt Lastwagen und Generator noch durch den Scanner. Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!

Zu guter Letzt, musste eine Busse bezahlt werden. Pro Ukraina hätte sie selbstverständlich übernommen. Es stellte sich heraus, dass sie nur 35 Euro betrug, wurde sie kulanterweise von der Transportfirma übernommen.

Bei den Ukrainern ging dann alles ruck-zuck. Die ukrainischen Beamten winkten den riesigen Generator nach kurzer administrativer Abfertigung praktisch einfach durch.

10 cm zu lang 🙂
Geschenkte ukrainische Flagge
Unterwegs nach Uzhhorod

Der Fahrer verliess nach dem Grenzübergang kurz den Lastwagen, um sich eine ukrainische SIM-Karte zu besorgen. Als er zurückkam, fand er eine ukrainische Flagge, zusammen mit einem rührenden Brief im Türgriff.

Der Fahrer verzichtete auf ein Hotelzimmer und übernachtete im Fahrzeug. Am nächsten Morgen fuhr er im Lager in Uzhhorod ein, wo er herzlich empfangen wurde.

Es wurde sofort mit dem Abladen begonnen.

Was mit dem Mobiliar geschah, erzähle ich in einem weiteren Beitrag.

Und wie der Generator von Uzhhorod nach Kramatorsk kam, erfährt man bald, wenn es weiter geht.

Die Geschichte geht bald weiter….work in Progress 🙂

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