Exkursion Ukraine März 2023

Wir sind stolz darauf, dass unsere Organisation ihre Informationen über die Ukraine nicht aus zweiter oder dritter Hand bezieht, sondern sich vor Ort selber ein Bild verschafft, und die aktuellen Entwicklungen laufend analysiert. Unter dem Tab „Home“ präsentieren wir diese Tatsache als unsere eigentliche Stärke. Unsere Organisation redet wenig, packt aber umso mehr einfach an. Im Rahmen der Lieferung von Hilfsgütern, war es deshalb eine gute Gelegenheit, um als Präsident der Organisation zusammen mit unserem Partner und Freund Péter Szeghljánik bei der Auslieferung vor Ort mit dabei zusein.

Er holte mich am Airport von Budapest ab. Nachdem noch einiges im Zentrum von Budapest erledigt wurde, ging es los in die Ukraine, eine Fahrt von ca. 310 Kilometern.

Am 06. März 2023 erfolgte der Grenzübertritt bei Barabás (Ungarn) und Koson‘ (Ukraine) in einer verregneten Nacht.

Grenzübertritt 1
Grenzübertritt 2
Grenzübertritt 3

Nach wenigen Stunden Schlaf, ging es bereits um 3 Uhr nachts los, mit 8 Tonnen Hilfsgütern. Der Weg führte über Mukachevo, dann quer über die Karpaten in Richtung unseres ersten Zieles, der Stadt Chmelnytzky.


Leichter Schnee war gefallen, und mit 8 Tonnen war besonders vorsichtige Fahrweise angezeigt. Eine Vollbremsung hätte auf der ungeräumten Strasse zum Desaster werden können. Zur Fahrt hörten wir Musik im lokalen Dialekt der Huzulen der Karpathen, was zu einer ganz speziellen Stimmung führte.

Nach der Überquerung der Karpathen und 464 abgefahrenen Kilometern, war das erste Etappenziel erreicht. Die Stadt Chmelnyzkyj, wo wir 45 Generatoren und 2 Tonnen Hilfsgüter abluden.

Videos aus Chmelnyckyj

Bei der Wegfahrt Richtung Kyïv traffen wir auf ein erschütterndes Bild:

Junge Soldaten, praktisch noch Kinder in voller Kampfausrüstung marschieren munteren Schrittes in die Ungewissheit.

Die Route führte weiter über Berdychiv und Kyïv nach Chernihiv. Die Russen standen im Frühjahr 2022 praktisch vor Kyïv. Selbst von der Autobahn aus sieht man die Zerstörung in Borodyanka, wo die Russen gewütet hatten.

In den von den Russen befreiten Gebieten ist das Vorwärtskommen erschwert.

Die Strassen sind abseits der Hauptachsen sowieso nicht die Besten. Nun sind sie manchmal einfach gesperrt. Glücklicherweise gibt es kurz vor Chernihiv eine Pontonbrücke. Die grosse Brücke über den Fluss Desna ist zerstört und es entsteht gerade eine Neue.

Videos aus Chernihiv und von unterwegs nach Sumy

Wenn man weiss, dass es 506 km bis ans Tagesziel Kharkiv sind, könnte man mit 30-40 km/h bei solchen Streckenabschnitten innerlich verzweifeln. Google Maps prognostiziert 7 Stunden 47 Minuten Fahrt über Sumy, wo in einem Dorf noch Generatoren und Material für Kindergärten geliefert werden soll.  Google Maps geht aber natürlich von einer viel höheren Durchschnittsgeschwindigkeit aus, auf Teilstücken die manchmal durchaus  20-30 Kilometer lang sind. Aber es gab so viel zu diskutieren und wir haben  sehr viel über Witze aus der Sowjetzeit gelacht. Das verdrängt die Frage: schaffen wir das heute überhaupt?

Besonders frustrierend sind Momente, wenn zum Beispiel nach 20 Kilometern auskommt, dass die Brücke vor einem gesprengt war. Unterwegs traf man ja kaum Leute, die man hätte fragen können. Auch die Leute am Zielort konnten kaum Auskunft geben.

Die Antwort auf die Frage, wie lange die Fahrt von Chernihiv nach Sumy denn ca. dauern könne, lautete dann etwa so: „Na früher so fünfeinhalb Stunden, aber heute wissen wir nicht, was wo alles zerstört ist. Siebeneinhalb, vielleicht?“

Ok, das wird wieder ein langer Tag. Siebeneinhalb Stunden, und dann sind wir erst in Sumy, noch nicht in Kharkiv.

In der Sumska Oblast herrschte zum Teil gespenstische Ruhe. Zerschossener Wald lässt ahnen, wie heftig die Kämpfe waren.

Dann die Feststellung: die Brücke über den Fluss Seym ist gesprengt worden… Also wieder alles zurück

Seym Bridge destroyed

Endlich werden die Strassen wieder besser und wir kommen in Sumy an. Von hier aus sind es nur noch 11 Kilometer ins Dorf Stare Selo, wo wir nochmals sechs Generatoren und Spielzeuge für einen Kindergarten und ein ReHa-Zentrum für Kinder abgeben können. Wir wurden seit Stunden erwartet und der Empfang ist entsprechend herzlich.

Fotos aus dem Dorf von Lyuda: die Zerstörung war gewaltig und viele Menschen haben alles verloren, was sie je besassen.

Wir hatten auch noch Spielzeug dabei. Keine Holzspielsachen in Montessori-Qualität, aber die Kinder und Lehrerinnen haben sich sehr darüber gefreut. Viele der Kinder sind völlig traumatisiert, selbst wenn man ihnen von aussen nichts anmerkt.

Die Erwachsenen sind entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Nach kurzer Zeit geht es weiter. Wir müssen noch Hilfsgüter in Kharkiv abliefern. Wenigstens sind jetzt die Strassen besser. Aufgehalten wird man jetzt von den vielen Roadblocks, wo uns die ukrainischen Soldaten genaustens kontrollieren. Auch die Mobiltelefone werden uns abgenommen und auf russische Kontakte untersucht…

Fotografieren ist definitiv nicht angezeigt!

Es ist schon fast 20.00 Uhr, als wir in Kharkiv ankommen, und um 23:00 Uhr beginnt die Ausgangssperre.

In einem völlig unscheinbaren Quartier werden die Hilfsgüter zwischengelagert.

Während dem ganzen Trip haben wir uns immer nur ganz kurze Zeit am selben Ort aufgehalten. Dies betraf vorallem die Städte. Deshalb ging es gleich nach dem Auslad weiter, um noch vor der Ausgangssperre Kharkiv hinter uns zu lassen.

Das nächste Etappenziel war Chmelnyckyj, wo wir zwei Tage zuvor den Anhänger stehengelassen hatten, um schneller voranzukommen. In der Region Poltava schliefen wir während zwei Stunden im Mercedes Sprinter, bevor wir die Etappe übre Kyïv nach Chmelnyckyj in Angriff nahmen. Das war trotz zwei Schlafsäcken ziemlich kalt, aber es gab doch einwenig Schlaf.

Unten: Ankunft in Kyïv früh morgens. Immer noch sehr müde – entsprechend schräg die Fotos aus dem fahrenden Transporter.

 

In Chmelnyckyj holten wir den Anhänger ab und waren spät nachts zurück in Zakarpattya.

Die Idylle im Dorf Popova am nächsten Morgen um 6 Uhr hatte etwas Surreales. Das Ziel war erreicht:

Acht Tonnen Hilfsgüter waren ausgeliefert und ein profunder Einblick in die aktuelle Situation quer durch die gesamte Ukraine und bis hoch an die belarussische und russische Grenze war gewonnen!

Popova (27)

Glücklich zurück in Zakarpattya. Video aus Popova

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Regula & Fredi Stahel

    wir sind beeindruckt über die so zuversichtlichen und tapferen Ukrainer. Euch zollt grossen Respekt vor Eurer Leistung, das Material in diese Kriegszonen zu bringen.

  2. Peter Stuber

    Das ist eine eindrückliche Leistung, bravo!

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